Lockdown mit Video, Lockdown, Lockdown mit Zoom, Lockdown mit Schnauze voll, Lockdown mit Hoffnung auf baldiges Ende, Lockdown, endlich tanzen, aber outdoor, Sommerferien, Vorstellung ja oder nein, Tanzen, proben, Vorstellung ja oder nein, proben, proben, Vorstellung ja oder nein, Vorstellung wahrscheinlich nicht, proben, Vorstellung ja, proben, Vorstellung, Weihnachtsferien….Ungefähr so verlief das Tanzjahr 2021, und da sind die zwei Monate Lockdown ab November 2020 noch gar nicht miterzählt.

Die knapp sieben Monate Studioschließung am Stück haben sich als diffuse graue Wolke in meiner Erinnerung abgelegt. Zugegebenermaßen sieben Monate, in denen ich sehr viel darüber nachgedacht hatte, ob es nicht sinnvoll sei, mich beruflich neu zu orientieren. Mir fehlte die Energie, „in Tanz“ zu denken, mir fehlte jede Motivation, selber zu tanzen, „Tanz“ schien sich irgendwie von mir verabschiedet zu haben, und ich habe ihn nicht so vermisst, wie ich erwartet hatte.

Ich hatte Tanzvideos für „meine“ Tanzschülerinnen gedreht, und es fühlte sich bis zuletzt trist an, meine Anweisungen in die Kamera zu tröten, zu motivieren ohne auch nur eine einzige Person zu sehen und zu fühlen wie meine aufgebrachte Energie regelrecht im Tanzstudio verpuffte.

Vielleicht bin ich durch meine Berufsjahre ein bisschen verwöhnt:

Natürlich geben wir als Tanzunterrichtende „Energie“. Gerne und großzügig, und sobald echte Menschen vor einem stehen, wird sie wie ein Ball zu einem zurück geworfen. Manchmal vermehrt sie sich dabei sogar auf wunderbare Weise und hüpft kreuz und quer durchs Studio. Und natürlich genießen wir das als „Vortanzhansels“ wie verrückt.
„Tanzen“ ist ein live Erlebnis. Das Miteinander erleben, ausprobieren, einander wahrnehmen, gemeinsam verzweifeln und gemeinsam lachen und ja, gemeinsam die Energie im Studio zu erhalten wie einen Ballon, der nie den Boden berühren darf, das alles gehört dazu. Tanzen ist Kommunikation, Menschen sind kommunikative Wesen. Ohne dies ist es nur ein funktionelles Körpertraining, das man egal wo absolvieren kann. Es ist irgendwie gut für einen, aber es ist nichts, das uns glücklich oder gar erfüllt zurück lässt.

Ich hatte mich schon früh darauf eingestellt, dass der „kurze“ Lockdown ab November am Ende doch bis zu den Osterferien gehen würde. Jede Verlängerung bis dahin ließ mich relativ kalt, zumindest kamen sie nicht überraschend.
Ok…. sie ließen mich NICHT kalt, aber sie kamen nicht überraschend. Außerdem war eh schon alles doof, da sank die Laune nicht aus allzu großer Höhe weiter in den Keller. Und das ist doch fast schon wieder positiv, Konfetti, Glitzer und Knalltüten!
Dass es nach den Osterferien nochmal eineinhalb Monate dauerte, bis man wieder an Öffnen glauben konnte, das war Mist, da war der Positivity Vorrat kurz mal aufgebraucht.

Irgendwann im Mai dann…

Es gibt einen Plan, wie „das Leben“ wieder Fahrt aufnehmen kann. Bitte einmal lösungsorientiertes Denken anknipsen. Wie konnte jetzt schon Mai sein? Wo war das vergangene halbe Jahr geblieben? Auf gehts, tanzen! Tanzen? Himmel, ich habe keine Ahnung, ob ich das überhaupt noch kann! Aber es kribbelte! Wie automatisch war mein Tanzmodus wieder aktiviert, und die Lösung für einen möglichst schnellen und gleichzeitig sicheren Wiederstart stand Ende Mai als 6×8 Meter großes Zelt auf unserem Parkplatz.

Die Wochen bis zu den Sommerferien tanzten wir also draußen im Zelt. Herrlich an den Tagen, an denen die Sonne großzügig durchs Zelt schien, etwas feucht, wenn sich das Regenwasser auf dem Zeltdach in großzügigen Wassertaschen staute. Wir hatten super angefangen, aber alles in allem würde ich behaupten, dass der Frühsommer im Jahr davor deutlich sonniger war als in diesem. Es war aber egal. Dann tanzte man eben mit Fleecejacke und festen Schuhen statt mit Ballettschläppchen quer über die Ameisenstraße und lockte mit seinen Tanzschritten die Regenürmer aus ihren Ritzen zwischen den Pflastersteinen  an die Oberfläche. Bis sie an den Tanzteppich stießen nur, aber glaubt mir, es waren eine Menge Regenwürmer, die sich ihre kleine Rübe an unserem Tanzboden gestoßen hatten.
Alle Erwachsenen ließen sich darauf ein, getestet zu ihrer Tanzstunde zu erscheinen. Als heimlich doch recht harmoniebedürftige Person bin ich dafür extrem dankbar und froh, dass ich keine Energie in Grundsatzdiskussionen stecken musste.

Um diese Zeit im Jahr hätten wir mit Proben für unsere geplante Aufführung Mitte November gestartet.

In diesem Jahr waren wir froh, dass wir überhaupt wieder gemeinsam tanzen konnten. War es überhaupt realistisch, im Winter eine Vorstellung zu planen? Nach den Sommerferien wären es 13 Wochen bis zum geplanten Datum, wenn wir die Herbstferien durchbrettern. Nein, das war nicht realistisch, aber…. gab es vielleicht doch eine Möglichkeit?

„Davina, du könntest auch am 11. Dezember ins Kolpinghaus gehen!“ Uff dritter Advent, machen das die Tänzerinnen und Tänzer wohl mit? Ich hätte Verständnis, wenn die fortgeschrittene Adventszeit mit weihnachtlicheren Aktionen zuhause verplant gewesen wäre.
„Kein Problem!“, „Ich mache alles mit!“, „Super, wenn die Vorstellung stattfinden kann!“…. Dieser Rückhalt „meiner“ Tanzmenschen gepaart mit Begeisterung und Einsatzbereitschaft ließ uns nach den Sommerferien in die Proben für unsere Vorstellung einsteigen.

In diesem Jahr war alles etwas kleiner, weniger Gruppen, weniger Tänzerinnen und Tänzer in den Gruppen, Weniger gemeinsame Proben. Zwischendurch war die allgemeine Lage kurz so, dass ich dachte „Mensch, wir hätten wahrscheinlich sogar die Vorstellung wie in den vergangenen Jahren mit allem Zipp und Zapp planen können!“. Nur ein paar Wochen später war ich froh, dass wir dieses Jahr auf der schmaleren Schiene fuhren. Wochenlang stand die Vorstellung immer ein bisschen auf der Kippe. Rundherum wurden Veranstaltungen abgesagt. Politische Entscheidungen ließen lange auf sich warten.

Meine Taktik war „Davon ausgehen, dass wir stattfinden können“.

Wieder in enger Abstimmung mit allen Beteiligten, denn es wäre natürlich ziemlich bescheuert, an der Vorstellung festzuhalten, wenn die Akteure schon keine Lust mehr haben oder die ganze Aktion als überflüssig erachten.
Acht Tage vor unserer Vorstellung dann die endgültige Entscheidung „Ja, wir finden statt!!!“ Ich fühlte mich um mehrere Wochen Vorfreude betrogen, denn rückblickend betrachtet stand gedanklich doch immer ein Fuß auf der Bremse…. und die Hand auch…
Irgendwas mit „rechne mal lieber mit allem, dann überrascht es dich am Ende nicht allzu doof.“ Ja, diese Taktik schien für 2021 durchgehend zu passen.

Jahresrückblick

Foto: P. Schmidt

Jetzt mit dem nachklingenden Wohlgefühl so einer Vorstellung ein „Hey…. das war ein tolles Jahr!“ …würde selbst ich nicht raushauen.

Es war wohl für die meisten von uns ein schwieriges Jahr, und jeder hatte seine Päckchen oder Pakete zu tragen. Aber mit den Paketen maulend stehenbleiben ist am Ende auch keine Lösung. Stattdessen sucht man vielleicht besser nach einer Sackkarre oder findet sogar in seinem Umfeld Menschen, die beim tragen helfen oder zumindest zwischendurch mal mit einem kühlen Getränk vorbei kommen, die kurz mal halten und motivieren weiterzumachen.

Ich bin dankbar.

Und ich bin irgendwie auch stolz. Einfach so….. weil es die Tanzwerkstatt noch gibt. Weil ich erleben durfte, welche starke und stärkende Gemeinschaft hier Tanzstunde für Tanzstunde zusammen kommt. Und es ist schön, dass dieses positive Gefühl am Ende dieses schwierigen Jahres überwiegen darf.

2022 feiert die Tanzwerkstatt ihren 20. Geburtstag.
Auch wenn ich dazu neige „alle anderen“ immer irgendwie cooler, professioneller und glänzender in ihren social Media und Webseiten Auftritten zu finden, bin ich dankbar für das, was ich neben Tanzfreude „in Echt“ hier in der Tanzwerkstatt habe: Vertrauen, Respekt und Zusammenhalt….. mein Wohlfühltanzzuhause, meine Tanzfamilie.

Danke, dass es Euch gibt!