Haaaach…. es IST aber auch immer was mit den Begriffen! Und ehe man es sich anders überlegen kann, steht man mit seinem wirklich coolen Hip Hop Outfit und den neuen Sneakern da. Mitten zwischen eher zurückhaltend gekleideten barfüßigen oder besockten Tänzerinnen und bekommt alles mögliche an Musik um die Ohren. Keine Ahnung, ob irgendwas davon jemals in irgendwelchen Charts vertreten war.
Beyonce oder Pietro Lombardi sind höchstwahrscheinlich nicht dabei.
Und die Bewegungen hatte man sich auch anders vorgestellt. So wie kürzlich die Tänzer, die so cool den Auftritt von dieser einen Schlagersängerin umrahmt hatten. Das war doch mal ein echt moderner Auftritt!
Stattdessen laufen die anderen in dieser Gruppe hier durch den Raum, lassen sich auf den Boden fallen, nur um kurz darauf wieder aufzustehen, mit dem Oberkörper in alle Richtungen zu schwingen und sich nach einem Sprung wieder über den Boden zu wälzen. Dazu läuft irgendeine Musik. Eigentlich ziemlich mitreißend, aber modern nun nicht unbedingt.

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Was war hier schiefgelaufen?

Ich gebe zu, es ist verwirrend, denn „Modern Dance“ steht nicht für „moderne Tänze“ im Sinne von „was heute kommerziell modern ist“ Es ist eine feststehende Bezeichnung für eine Tanzrichtung, die sich als Gegenbewegung zum „klassischen Ballett“ entwickelt hat….. damals… zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
Ja, damals war es dann auch der „heiße Scheiß“, das neuartigste, was man sich vorstellen konnte, wahnsinnig….. modern eben.
Die akademischen Tanzregeln und Ideale des klassischen Balletts wurden einfach über den Haufen geworfen. Das Streben nach Romantik, nach künstlichen höheren Wesen, die man in den vergangenen 150 Jahren darstellen wollte, indem man sich auf die Zehenspitzen erhob und elfengleich über die Bühne schwebte, war nicht mehr zeitgemäß.
Stattdessen gab man der Schwerkraft nach, entdeckte auch den Fußboden als Tanzraum und, welche natürlichen Bewegungen so ein menschlicher Körper gerne machen wollte. Schwingen, hüpfen, rennen, rollen, sich krümmen,… und das in einer anatomisch natürlicheren Körperausrichtung als es beim Ballett erforderlich ist.

Im Laufe der Jahre haben einige der damaligen Tänzer und Choreographen daraus ihre eigene Tanztechnik entwickelt.

Zum Teil doch wieder in Anlehnung an das klassische Ballett und mit Sicherheit körperlich nicht weniger anspruchsvoll. So entstanden in dieser Zeit unter anderem die Graham-, Cunningham-, Horton-, Limóntechnik, die auch heute noch an den Tanzakademien,aber natürlich auch im Laienbereich unterrichtet werden.
In Amateur Tanzstudios wie es auch die Tanzwerkstatt ist, ist es häufig eine Mischung dieser Einflüsse zusammen mit den Bewegungsvorlieben der Tanzpädagogin 😉

Bis heute (und bis in alle Ewigkeit) gibt es immer wieder neue Verzweigungen, Stile und Schwerpunkte.modern dance 2

Jeder Choreograph nutzt die Tanzsprache immer wieder ein bisschen anders und beeinflusst die weitere Entwicklung auf den Tanzflächen der Theaterbühnen.
Die „Modern Dance“ Techniken aus der Pionier-Zeit des Modern Dance sind wie zusätzliche Wörterbücher für Tänzer, ein erweitertes Vokabular. Sie dienen dazu, sich auf bestimmte Art und Weise auf der Bühne ausdrücken zu können.
Man lernt das Vokabular so einer Tanztechnik nicht, nur um es zu „können“, sondern, um es anwenden zu können, Geschichten damit zu erzählen, sich auszudrücken oder Musik damit interpretieren zu können.
Ohne diese Geschichten wären alle diese Bewegungen einfach nur Kunststückchen. So als würde man ein Wörterbuch lesen….  oder eben einen mitreissenden Roman. Naja, das gilt irgendwie für jede Tanztechnik und hat jetzt nicht unbedingt nur etwas mit „Modern Dance“ zu tun. Und vermutlich gilt es auch für jede Tonleiter, die man auf egal welchem Instrument übt.

modern dance 3Ich kann es verstehen, wenn jemand als Tanz Laie sich unter „Modern Dance“ etwas „modernes“ vorstellt, etwas, das man heutzutage im TV sieht oder bei Konzerten oder sonstwo. Wenn es gut läuft, sind wir Tanzpädagogen dafür da, dieses kleine Missverständnis aufzuklären. Irgendwas mit Bildungsauftrag und „Drumrumwissen“…
Und selbst wenn ich meine Tanzstunden zu aktueller Popmusik der Einfachheit halber als „modern dance“ bezeichnen würde, wüsste ich natürlich, dass der Begriff „Modern Dance“ für den zeitgenössischen Bühnentanz eben etwas völlig anderes bedeutet.
So viel allgemeines Tanzwissen solltet ihr von jedem Tanzlehrer erwarten können.